Chroniken der Kürbiskriege

Chronik des Riesenkürbis-Seekriegs der Poclatchcoat'l-Indianer gegen die Handclatchtomat'l im Jahre 108 vor ihrer Zeitrechnung (d.h. 1413-1418 n. Chr.)

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Standort: Berlin, Germany

100 Goldfischli sind eine Tüte. ...na so etwa...

07 September 2007

Das Bier der Fynfzencilohant'l

 

Die Fynfzencilohant'l mussten nicht viel tun für ihren Lebensunterhalt. Melonen, Getreide, Kürbisse und Früchte wuchsen von selbst auf ihrem Feld. Warum, das war ihnen egal. Das Bierbrauen hatten sie durch Zufall entdeckt: In dem Becken, in dem sie immer bei Neumond eine Nacht lang ihr gemeinsames rituelles Fußbad nehmen mussten, war zufällig Wasser stehen geblieben. Die Kinder spielten dort mit Kürbisschiffchen. Dass das Wasser nach ein paar Tagen Schaum trug, war allen entgangen. Sie wollten ja im allgemeinen ihre Ruhe haben.

Eines Tages war ein Kind steuerlos durchs Dorf getorkelt, aber unter Indianern galt so etwas als mystisches Zeichen. Das Kind hatte interessant mit den Augen gerollt, lustiges Zeug geredet und war am Ende laut schnarchend eingeschlafen.
Als es am übernächsten Tag wieder klar antworten konnte, fand die Mutter heraus, dass es beim Spielen mit Kürbissschiffchen von dem Wasser im Fußbadebecken getrunken hatte. Dabei hatte sich das Kind offensichtlich einen fürchterlichen Rausch zugezogen.
Die Fynfzencilohant'l probierten die Wirkung erst an zwei weiteren Kindern aus, bevor der erste Erwachsene bereit war, von dem Wasser zu kosten. Kinder hatten sie genug.

Das Wasser perlte witzig auf der Zunge und schmeckte nach Kürbiskuchen. Gar nicht schlecht. Die Kürbisschiffchen der Kinder hatten nämlich während der weiteren Versuche im Becken gelegen und waren inzwischen vollständig vergoren.

Von dem perlenden Wasser wurde einem angenehm schwindlig, die eigentlich mürrischen Fynfzencilohant'l wurden gesprächig und sogar gesellig nach dem Genuss des Getränks. Ein echter Fortschritt für ihre Kultur.

Also beobachteten sie die Vorgänge und ließen nun nach jedem Fußbad das Wasser im Becken mit einem Haufen Kürbissen stehen.
 

 

Ungerechtigkeit und Bier

 

Das Bier war eigentlich schon erfunden. Aber das Geheimnis des Bierbrauens lag beim Stamm der mürrischen Fynfzencilohant'l. Diese gaben K'urt kein Bier - K'urt wollte immer reden. Und sie wollten doch einfach nur ihre Ruhe haben. So wuchs K'urts Unzufriedenheit.

Den Handclatchtomat'l gaben sie Bier - weil die es sich selbst abholten. Und dann das Geld vor den Pueblo legten.

Die Fynfzencilohant'l waren ein bärbeißiges Volk, aber mit den Handclatchtomatl kamen sie aus. Wenn sie betrunken waren, nannten sie sie sogar freundschaftlich Clatchis. So wuchs K'urts Neid.
 

 

K'urt

 

Die Lotmachpeyot'l waren das krasse Gegenteil. Von allem. Sie ahnten immerhin, warum sie die Peyotl waren. Und „Lotmach-" war kein biblischer Vorname, sondern blanke Ironie: Wie sollte man denn ordentlich aufrecht gehen, wenn man dauernd breit und voll des guten Peyote war? Immerhin kannten sie das Farbfernsehen, 600 Jahre vor seiner Erfindung. Ihr Häuptling hieß K'urt.

Peyote-Kakteen wuchsen bei ihnen überall, wie Unkraut, man hätte sie nur pflücken müssen. Aber selbst das war nicht nötig, weil sich auch die anderen Pflanzen nicht ohne einen satten Anteil Peyote ernten ließen. Die Lotmachpeyot'l dachten nicht darüber nach und betrachteten es auch nicht als Droge. Sie kannten den Zustand „nüchtern" einfach nicht. Bis auf K'urt.

Der Häuptling K'urt war nicht gewählt worden, wie das in den ausgereiften indigenen Indianerdemokratien eigentlich üblich hätte sein sollte. Er hatte sich das Amt genommen. Konnte man so sagen. Er hatte eine Kaktus-Allergie, weil er als kleiner Junge in einen Kessel mit ... aber nein, das ist eine ganz andere Chronik.

K'urt war der einzige im Stamm, der überhaupt gezielt etwas greifen konnte, weil er wegen seiner Allergie als einziger immer nüchtern war. Unfreiwillig abstinent.

K'urt suchte sich sein Essen selbst und aß immer allein, schon weil er keine Lust hatte, den ganzen Tag mit einem Haufen bekifften Idioten herumzuhängen. Denen wiederum schmeckte sein widerliches Essen nicht - sie waren Vegetarier. Alle. Bis auf K'urt, der sich wegen seiner Allergie zu großen Teilen von Schlange, Kröte und Echse ernährte, was ihm in ihrem Canyon eben so über den Weg lief. Beim Gedanken an solche Kreaturen auf dem Teller bekamen seine Stammesbrüder schlimme Halluzinationen, egal ob mit oder ohne Peyote. Und K'urt war wirklich kein guter Koch, nur - was sollte er machen?

Sein Dasein war entsetzlich traurig: Er musste die ganze Zeit als einziger Nüchterner unter lauter faulen Drogensüchtigen leben. Er wünschte sich auch eine Droge. Eine, die er ohne Juckreiz vertrug.

 

Die Notlachaxolot'l

 


Die Notlachaxolot'l waren in Krisenzeiten traditionell die treuen Verbündeten der Handclatchtomat'l. Auf der Seite der Poclatchcoat'l standen die Lotmachpeyot'l. Ihre Treue ließ traditionell zu wünschen übrig.

Philosophen beider Stämme fragten sich seit geraumer Zeit, wer wohl diese beknackten Stammesnamen erfunden haben mochte. Ohne Ergebnis. Und das war auch schon ihre einzige Gemeinsamkeit.

Mit den zutreffenden Erkenntnissen hätten sich die Namensphilosophen bei ihren Stämmen sehr unbeliebt gemacht. Weil sie das wussten - und ihren Job behalten wollten - stellten sie sich ahnungslos und ergingen sich in nebulösen Andeutungen im unverständlichen Jargon der Indianer-Philosophen.

Die Notlachaxolot'l waren für ihre grauenhafte Ernsthaftigkeit berüchtigt, was ihnen letztlich auch diesen Namen eingebracht hatte: Nämlich, dass sie auch im äußersten Notfall eines wirklich gut erzählten Witzes bestenfalls verklemmt kicherten. Was der Axolotl-Teil sollte, wusste keiner. In ihrer Gegend gab es nicht mal Höhlen.

Besuche bei ihnen waren die Hölle. Jede normale Kommunikation mit freundlichen Nichtigkeiten lief bei ihnen ins Leere: Sie verstanden so etwas nicht. Jeder Besucher versuchte deshalb eine Zeitlang reflexhaft, immer lustiger zu werden. Irgendwann gaben die Besucher frustriert auf, sie konnten sich nicht vorstellen, das jemand ein Lächeln, übertriebene Gesten und selbst einfache Späße nicht verstand. Die Notlachaxolot'l wiederum kannten ausschließlich dieses merkwürdig überdrehte Verhalten ihrer Besucher und es fiel ihnen nicht auf, dass kein Besucher zweimal kam, außer ein paar besonders aufdringlichen Vetretern von Zierkürbis-Abonnements und den anhänglichen Missionaren aus einer weit entfernten Region am Rand des Salzsees.

 

06 September 2007

Seefahrt und Bequemlichkeit

 

Chronik des Riesenkürbis-Seekriegs der Poclatchcoat'l-Indianer
gegen die Handclatchtomat'l im Jahre 108 vor ihrer Zeitrechnung
(d.h. 1413-1418 n. Chr.)


Zu damaliger Zeit schnitzten die Handclatchtomat'l und die Poclatchcoat'l-Indianer ihre Boote nicht aus Holz, wie die anderen Völker des ihnen bekannten Erdenballs, das war ihnen nämlich zu mühsam. Sondern aus Kürbissen.

Vom allgemeinen amerikanischen Ureinwohnerrat (eine Art EU der Indianer¹) wurde ihnen deshalb die Benutzung des geschützten Begriffs EINBAUM verbooten. Trotzig nannten sie ihre Seegefährte deshalb EINKÜRBIS, und das schon seit mehr als umgerechnet vierhundertfünfzig Jahren².

In den Jahrhunderten hatten Indianerboote eine enorme technische Entwicklung durchgemacht, aber, wie nicht anders zu erwarten, sah technische Entwicklung bei indianischen Ureinwohnern ganz anders aus als in Europa. Die erhöhten Frachtraten auf ihren Seen riefen nach immer größeren Kürbissen ... nein: Booten ... also doch Kürbissen - jedenfalls war das die Antwort der indianischen Bootszüchter auf die erhöhten Frachtraten: Sie begannen, immer größere und leistungsfähigere Schwimm-Kürbisse zu züchten.

Bald stieß man an eine natürliche Grenze, die darin bestand, dass man die tonnenschweren Kürbisse nicht mehr vom Feld bis zum Flussufer transportieren konnte. Einige Jahre noch behalf man sich damit, die Kürbisse direkt auf einem Wagen wachsen zu lassen. Man musste sie dann nur noch abschneiden und zum Ufer fahren. Den Wagen konnte man im nächsten Jahr sogar wiederverwenden. Aber mehrere hässliche Unfälle mit zusammengebrochenen Wagen und herabgefallenen Kürbissen zeigten, dass dies eine Sackgasse war. Ein heiliger Monumentalbaum am Ufer eines großen Sees zeugt noch heute davon. Er wurde zur Erinnerung gepflanzt, aber erst in der Neuzeit mit einer Inschrift versehen:

"Hier wurde unser großer Vortänzer
Ancal Handclatch'tepec
von einem schrecklich herabfallenden Kürbis
traurig erschlagen."

Grammatik war nie ihre Stärke.


¹ nur einige wenige dieser Völker hatten eine Schrift - daher blieb ihnen auch eine ganze Reihe unsinniger Abkürzungen gänzlich erspart
² und die wenigsten berechneten ihre Zeit in herkömmlichen Jahren, doch dazu später mehr