Chroniken der Kürbiskriege

Chronik des Riesenkürbis-Seekriegs der Poclatchcoat'l-Indianer gegen die Handclatchtomat'l im Jahre 108 vor ihrer Zeitrechnung (d.h. 1413-1418 n. Chr.)

Name:
Standort: Berlin, Germany

100 Goldfischli sind eine Tüte. ...na so etwa...

07 November 2007

Missionare (2)

 


Heute nochmal: Besuch von auswärts

Das dachte er sich so, dass als nächstes die Sumpfcantatls dran sein würden. Aber der Prediger kam am nächsten Tag nochmal und verwickelte ihn erneut ein ein Gespräch. Roo-Arr stöhnte. Also musste er wieder:
"Kannst du mir diese Sache mit der Sünde nochmal erkären? Was ist das?"

"Also, wenn einer von euch mit der Frau eines anderen ... etwas ... unanständiges tut..."

"Was sollen die denn unanständiges tun?"

"Also, wenn er ... mit der ... Frau ... herummacht..."

"Ach so!"

"... dann darf er das ja nicht."

"Warum darf er das denn nicht?"

"Na, dann ist der Ehemann der Frau doch bestimmt eifersüchtig."

"Was meinst du mit eifersüchtig?"

"Was?"

"Ich kenne das Wort nicht - was bedeutet 'eifersüchtig'?"

"Nicht? Also, wenn einer mit der Frau eines anderen herummacht, dann ist deren Mann doch bestimmt beleidigt. Wie nennt ihr das denn?"

"Beleidigt? Warum sollte er beleidigt sein?"

"Na, weil das SEINE Frau ist! Das gefällt ihm doch sicher nicht."

"Doch, natürlich - das ist doch ein Zeichen, dass er gut gewählt hat, wenn sich auch andere Männer für seine Frau interessieren."

"Schon, interessieren. Aber wenn seine Frau mit dem anderen herummacht - dann wird er doch böse."

"Nein."

"Doch! Wenn er sie erwischt, dann wird er diesen Mann doch verprügeln."

"Na hör mal! Wir sind doch keine unzivilisierten Wilden!"

"Aber das kann sie doch nicht machen!"

"Warum denn nicht? Sie wird schon wissen, was sie tut. Die meisten von uns wissen das."

"Aber dann ist sie ihrem Mann doch nicht treu!"

"Nicht treu? Nur weil sie mal mit einem anderen herummacht?"

"Ja! Genau!"

"Bist du deinen Brüdern und Schwestern oben am Salzsee treu, wenn du dich hier herumtreibst und von deinem Gott erzählst?"

"Ich bin meinem Herrn treu."

"Ich hatte nach deinen Brüdern und Schwestern gefragt..."

"Aber eine Frau muss ihrem Mann doch treu sein!"

"Na und? Deshalb kann sie doch mal mit einem anderen herummachen?"
Roo-Arr fragte sich allmählich, wer hier wen missionierte.

"Aber warum haben sie denn überhaupt geheiratet?"

"Och, warum denn nicht? Es gibt doch tausend verschiedene Arten von Treue. Wir hier stehen zueinander, auch wenn wir manchmal nicht im selben Bett liegen."

"Aber man heiratet doch, um ein Leben lang zusammen zu sein!"

"So? Wir nicht. Manche sind ein Leben lang zusammen. Andere trennen sich vorher. Eine Heirat ist nur die öffentliche Ankündigung, dass man es versuchen will."

"Lebenslang!"

"Wir hören das manchmal von anderen Stämmen, das Lebenslänglich. Aber wir glauben, dass der Mensch nicht für das Lebenslänglich geschaffen ist."

"Doch! Natürlich! Nur dafür!"

"Wie kommst du darauf? Wenn man bei uns so einen Irrtum erkennt, geht jeder seine Wege. Manche früher, manche später, einige gar nicht."

"Das ist doch ganz falsch!"

"Meine Frau gehört mir doch nicht. Nicht mal mein Lama gehört mir, sondern macht was es selbst will. Wie soll mir da meine Frau gehören?"

"Aber was macht ihr denn, wenn eine Frau von einem anderen ein Kind kriegt?"

"Woher soll sie wissen, von wem das Kind ist?"

"Angenommen, sie weiß es..."

"Dann ist das ein Kind. Wir freuen uns mit ihr."

"Aber es ist doch nicht von ihrem Mann! Da muss er doch böse sein!"

"Keineswegs. Das ist der Beweis für die Fruchtbarkeit seiner Frau. Ein Zeichen, dass er gut gewählt hat. Er freut sich mit ihr."

"Oh, ihr seid so voll der Sünde!"

"Ja, richtig, du wolltest mir dieses Wort erklären: Wie war das mit der Sünde?"

"Tut mir leid - ich muss weiter..."

 

 

Missionare

 


Heute: Besuch von auswärts

Immer wieder kamen einige seltsam gekleidete Gestalten von einem Stamm am fernen Salzsee - so sagten sie jedenfalls - zu den Handclatchtomatln. Wenn sie unter sich waren, bezeichneten sie sich als Missionare, die Clatchis nannten sie einfach Wanderprediger. Sie empfanden die Leute vom Salzsee als anstrengend, weil die sich im alleinigen Besitz der Wahrheit wähnten. Mit schwer widerlegbaren Argumenten verbreiteten sie Unsinn und wollten den anderen Stämmen das Vertrauen in ihre toten Ahnen ausreden. Stattdessen sollte man sich an einen - den einzigen Gott - der Missionare wenden. Ein armseliges Volk, das sich nur einen Gott leisten konnte.

Wie üblich, wenn er ihnen begegnete, war Roo-Arr nicht scharf auf eine Diskussion. Aber weil er da ohnehin nicht mehr rauskam, spielte er eben mit:
„Und warum sollte ich jetzt an deinen Gott glauben und nicht mehr an meinen ?"

„Er vergibt dir deine Sünden."


„Was sind Sünden?"


„Bitte?"


„Sünden. Was sind Sünden? Ich kenne das Wort nicht."


„Oh ... ach so ... äh, ja ... Sünden - das ist, wenn du gegen die Gebote deines Gottes verstößt."


„Was für Gebote?"


„Seine Befehle."


„Unser Gott befiehlt uns nicht."


„Aber er gebietet euch seine Gesetze!"


„Nicht dass ich wüsste. Er gibt uns Hilfestellung. Und wenn er nicht weiter weiß, holt er sich Rat bei den Ahnen."


„Nein!"


„Doch. Wir sind frei, wie der Wind in der Prairie. DAS sind Sünden?"


„Nein, also: Wenn ihr gegen eure eigenen Regeln verstoßt, zum Beispiel. Wenn ihr etwas tut, das ihr gar nicht tun wollt - dann ist das eine Sünde."


„Warum sollten wir so was dummes tun?"


„Jeder tut das manchmal."


„Das ist doch anstrengend. Wir tun immer nur, was wir tun wollen."


"Tut ihr?"


"Ja. Und wenn wir Regeln haben, verstoßen wir nicht dagegen, sondern befolgen sie. Dafür sind Regeln ja da."


„Ach so?"


„Ja."


„Aber manchmal sind Regeln doch unbequem, aber trotzdem da. Wenn man dann verstößt - das ist eine Sünde."


„Unsinnige Regeln befolgen wir natürlich nicht."


„Aha! Und dann habt ihr ein schlechtes Gewissen!"


„Nein."


„Nicht?"


„Wir haben dann sicher unsere Gründe. Warum sollte man da ein schlechtes Gewissen haben?"


„Also ... nun gut."


„Na gut, angenommen, ich hätte eine Sünde - wie du das nennst - begangen. Was muss ich dann tun?"


„Du wendest dich an unseren Herrn und tust Buße, damit er dir vergibt."


„Was für Buße?"


„Du erniedrigst dich."


„Das macht schon meine Frau, dafür brauche ich deinen Herrn nicht."


„Nein, nein, es ist anders: Du zeigst Demut - und bereust!"


„Ich bereue höchstens, wenn ich für einen neuen Topf zu viele Pelze hergegeben habe. Anstatt sie meiner Frau zu schenken. Oder selbst anzuziehen. Ist das eine Sünde? Und deshalb die Demut?"


„Nein! Du bringst ein Opfer!"


„Ein Opfer? Was für ein Opfer?"


„Du bringst ihm etwas, das du schwer entbehren kannst. Etwas, das du gerne selbst hättest. Du opferst ihm ... ein Kaninchen, vielleicht."


„Das würde unser Gott nie verlangen. Wir dürfen unsere Kaninchen selbst essen - das ist sein Wille."


„Nein, das war nur ein Beispiel. Du tust etwas, das du so nicht tun müsstest - das ist ein Opfer."


„Weißt du, unser Gott findet, dass wir nur tun müssen, was wir tun müssen."


„Nein, so meint er das nicht!".


„Das kannst DU ja nicht wissen. Nun gut. Und was passiert dann?"


„Dann vergibt er dir!"


„Und was habe ich davon?"


„Du fühlst dich besser!"


„Warum sollte ich? Mir ist ganz egal, ob mein Gott mir vergibt."


„Ist es nicht!"


„Doch! Ich fühle mich prima. Und wenn es unserem Gott deswegen nicht gut geht, sucht er Rat bei unseren Ahnen..."
Roo-Arr hasste solche Diskussionen wegen gar nichts. Wenigstens hielten die Wanderprediger ihn jetzt für einen verstockten Heiden und zogen weiter zum nächsten Pueblo. Dann wären die Sumpfcantatls dran.
 

 

Nachbarschaftshilfe

 

 
und vorher

Die Sache mit der Nachbarschaftshilfe unter den Stämmen war eigentlich von den Lammfleisch-Rotatl'n ausgegangen. Der von ihnen verehrte Gott, Der Große Ozelot, war nämlich in seiner kleineren irdischen Hülle einfach eine etwas zu groß geratene Katze - wenn auch eine sehr prächtige. Und Katzen fangen gerne alles, was kleiner oder gleichgroß oder jedenfalls nicht viel größer als sie selbst ist und sich nicht allzusehr wehrt. Kurz: Der irdische Vertreter Des Großen Ozelot holte Hühner.

Den Lammfleisch-Rotat'ln war das egal - sie hatten ja keine Hühner. Aber sie hatten auch keine Ratten, Schlangen, Mäuse und andere kleine Quälgeister. Die Nachbarstämme hatten alles, Ratten, Mäuse, kleine Quälgeister zu Hauf, aber vor allem hatten sie Hühner, zum Essen. Sie nahmen Dem Großen Ozelot und seinem kleineren irdischen Vertreter übel, dass er ihre Hühner holte. Und weil Der Große Ozelot eben nur eine zu groß geratene Katze war - wenn auch einen sehr prächtige - konnte man ihn leicht jagen. Mit dem Berglöwen wäre das etwas anderes gewesen.

Um die ungläubigen Nachbarn über den Verlust einiger ihrer Hühner hinwegzutrösten, und vor allem, um sie vom Jagen abzuhalten, boten die Lammfleischrotat'l ihre Hilfe bei allen möglichen Arbeiten an: Beim Bestellen der Felder, beim Haus-, Staudamm- oder Brückenbau, sie luden die anderen zum Lammfleischrotieren ein. Irgendwann hatten sie mehr als den erwarteten ihren Erfolg. Denn nun fühlten sich die anderen Stämme ebenfalls zur Hilfe genötigt, da ihnen der Verzicht auf die Ozelot-Jagd allein nicht als ausreichende Gegenleistung erschien.

So führte die Anbetung eines kleinen Raubtiergottes letztlich zu einer Kultur der gegenseitigen Hilfe unter den Stammesgemeinschaften. Leider verfügten sie nicht über Historiker, die diese erstaunliche Entwicklung der Nachwelt angemessen überliefern konnten.
 

 

Die Nachbarn

 

 
Die Lammfleischrotat'l hatten sich diesen Namen selbst gegeben. Er beruhte auf einer Opferzeremonie für ihren obersten Gott, Den Großen Ozelot. Ihm wurde regelmäßig Lammfleisch geopfert.

Weil Der Große Ozelot bei genauer Betrachtung aber gar nicht so groß war, schnitten sie das Lammfleisch klein. Im Trance-Ritual steckten sie die Fleischschnipsel unter fortwährendem monotonem Singsang in Schichten auf einen Spieß und rösteten sie über dem Feuer. Die Frau des Häuptlings buk dazu das „Heilige Brot", der Schamane segnete es.

Der Häuptling schnitt Fleisch von dem Spieß herunter und füllte es in Brottaschen. Dort waren vorher schon die „Zeichen des vitalen Lebens" hinein gegeben worden - Kräuter und Gemüse aus der Umgebung - Der Große Ozelot sollte sich nicht einseitig ernähren müssen.

Das erste gefüllte Opferbrot wurde immer besonders groß und man legte es am Dorfeingang unter den Totempfahl. Irgendwann kam dann Der Große Ozelot in seiner kleineren irdischen Hülle und schleppte es weg, so gut er konnte.

Die übrigen Opferbrote wurden an die Lammfleischrotat'l selbst verteilt. Man musste sie allerdings essen, wie der Häuptling sie zubereitet hatte - und er mochte keine Brote ohne Zwiebeln.
 

 

Der Chef (3)

 


Chefs Elend

Roo-Arr hasste seinen Job.

„Gärende Füße, ich kann doch übermorgen bei der Kürbisernte auf dich zählen?"

„Warum? Unsere Kürbisse sind doch erst in einem Monat reif?"

„Ja, sicher..."

„...wozu haben wir schließlich die köstlichen
Geierwalter Canyon Spätlese gepflanzt?"

„... ich habe den Lammfleischrotatl'n versprochen, dass wir ihnen bei ihrer Ernte helfen."

„Ja, du!"

„Ja, ich! Ich bin schließlich euer gewählter Vertreter! Sonst wollte es ja niemand machen."

„Was glaubst du wohl, warum?"

„Also? Übermorgen?"

„Übermorgen kann ich nicht."

„Was?"

„Da hat meine Frau ihr neues Hirschkleid fertig."

„Ja, und?"

„Na, sie probiert es an..."

„Meine Frau hat auch schon mal ein Kleid angezogen und ich bin trotzdem zur Arbeit gegangen."

„... aber ich soll ihr sagen, ob es ihr gut steht."

„Das kann ihre Schwester doch auch?"

„Nein, ich soll! Und wenn ich es nicht mache, bekomme ich Ärger."

„Und deshalb willst du nicht bei unserem Einsatz helfen?"

„Hast du schon mal Streit mit meiner Frau gehabt?"

„Schon öfter. Schließlich ist sie meine Schwester."

„Ach ja, richtig."

„Ich hoffe, sie wird dich ordentlich verprügeln, so wie mich früher immer."

„Nicht, wenn ich übermorgen..."

„SCHLUSS JETZT! ICH KANN DEIN GEWÄSCH NICHT MEHR HÖREN!"

„Na hör mal..."

„Das wirst Du bereuen! Also was ist jetzt?"

„Na gut. Übermorgen. Aber nicht so früh, ja?"


Roo-Arr hasste seinen Job.
 

 

Der Chef (2)

 

 
Roo-Arr hasste seinen Job. Und er hasste sich dafür, dass er ihn angenommen hatte. Er hatte nun mal ein weiches Herz. Und er hatte das Amt vor allem deshalb bekommen, weil alle anderen kompetenten Stammesmitglieder abgesagt hatten - zum Teil mit fadenscheinigen Ausreden. Er selbst betrachtete sich bestenfalls als zweite Wahl. Jetzt versuchte er das beste daraus zu machen: In der Indianer-Öffentlichkeit gab er willkürlich schroffe Kommandos - und intern wurde diskutiert.

Wenn eine der Abmachungen nicht umgesetzt wurde - was relativ häufig geschah, wie man sich leicht ausmalen kann - glaubten die anderen Stämme, dass es dafür sicher einen triftigen Grund geben müsse, oder dass es die Clatchis vielleicht vergessen hätten. „Vergessen" galt auch als triftiger Grund. Zumindest unter Indianerstämmen, die sich gegenseitig mit Respekt behandelten und das auch von den anderen Indianern erwarten durften. Außerdem war die Schrift noch nicht eingeführt und man konnte keine Notizen machen.

Genauer gesagt: Die Handclatchtomat'l kannten die Schrift schon, aber die meisten anderen Stämme noch nicht, und daher wussten sie nicht, dass das mit den Notizen inzwischen möglich war. Die Handclatchtomat'l hingegen waren über ihre zahlreichen Versäumnisse durchaus im Bilde. Sie schämten sich ein bisschen dafür.

Die nach außen vorgespielte Komödie von Ordnung und straffer Organisation verschaffte den Handclatchtomat'ln einen gewissen Freiraum, subjektiv hatten die anderen Stämme auch gar nicht das Gefühl, dass sie ihren Verpflichtungen öfter mal nicht nachkamen.

Das konsequente Vortragen dieses Schauspiels zeugte also durchaus von einer Art von Disziplin - auch wenn die anderen Stämme dies bei Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse wahrscheinlich bestritten hätten.
 

 

Der Chef

 

 
Eine Organisationsform

Vor Publikum bezeichnete sich Roo-Arr Wundcatetl als Chef der Handclatchtomat'l. Das war seine Aufgabe.

Wenn er vor Publikum energisch Anweisungen an seine Indianer erteilte, widersprach ihm niemand. Sondern gelobte, die Weisung nach besten Kräften auszuführen. Jedenfalls in Anwesenheit der Indianer anderer Stämme hielt man das so.

Intern sah es dagegen ganz anders aus: Die Stammesmitglieder kritisierten gnadenlos alles, was ihnen nicht in den Kram passte und jede Entscheidung, in der sie anderer Ansicht waren. Irgendwer war das immer. Nach außen - da war man sich ganz einig - gab man das Bild eines straff und autoritär geführten Stammes ab. Aber in Wirklichkeit praktizierte man eine anstrengende Demokratie. Jeder durfte mitreden, fast jeder musste berücksichtigt werden, wenn er das wünschte.

Roo-Arr hatte ein Amt, das ihm von außen viel Anerkennung einbrachte, das aber das anstrengendste war, das der Stamm zu bieten hatte, noch vor dem Zeremonienmeister, dem Streitschlichter und dem Ahnen-Schamanen. Deren Aufgaben übernahm er auch noch, wenn diese selbst in die Vorfälle verwickelt waren, oder grade im Urlaub, also meistens.

Deshalb hatte er sich wenigstens einen markigen Namen zugelegt, Roo-Arr, das sollte an das Brüllen des Berglöwen erinnern. Seine Indianer belächelten diese Idee, sie kannten ihn ja. Aber er fand, dass er wenigstens das Recht auf einen markigen Namen hätte.
 

 

Entschuldigung, wenn ich störe...

 

 
Am Ende jeden Winters gab es dasselbe Schauspiel. Im Folgenden ein authentischer Bericht aus dem Pueblo, drittes Haus rechts oben am Hang, Gespräch zwischen dem Herrn Indianer und seiner Frau:

"Ach, Kacke, die Selchnasen sind wieder mal da!"

"Hast du was anderes erwartet?"

"Sie hätten ja ausnahmsweise woanders schnorren können."

"Da waren sie schon."

"Vielleicht gehen sie ja von selber wieder wenn wir ganz leise sind und nicht aufmachen?"

"Du kennst sie doch! Die haben ihren Hundeblick auf, von alleine gehen die nicht wieder. Willst Du warten, bis der Adler aus der Asche steigt?"

Das war ihre Umschreibung für die Rückkehr der Ahnen, ein Wort für Ewigkeit.

"Und jetzt?"

"Wie: Und jetzt? Gib ihnen irgendwas!"

"Was denn?"

"Wir werden doch irgendwas haben, das wir nicht mehr brauchen. Irgendwas vergammelt doch immer!"

"So? Was denn?"

"Stell dich nicht so an! Unten in der Vorratsbank liegt doch sicher noch das Fleisch mit dem du neulich den Topf kaputtgemacht hast."

"Aber das war doch gar nicht richtig gar. Das ist schon ganz grün."

"Gut!"

"Außerdem ist das ganz sandig, weil es runtergefallen ist."

"Umso besser! Vielleicht kommen die dann erst in zwei Jahren wieder."

"Glaubst Du wirklich?"

"Nein, nicht wirklich. Die merken sich das genau so lange, bis ihre Bauchschmerzen vorbei sind. Oder bis sie wieder draußen ihr Essen finden."

"Ich würde ihnen ja gerne helfen - wenn die nicht so unglaublich hochnäsig wären. Aber wenn ihre Vorräte alle sind verlieren sie jeden Indianerstolz und kommen angekrochen. Das ist unwürdig!"

"Ach, vergiss es. Die ändern sich nicht. Ich gebe ihnen nur deshalb was, weil sie sonst nicht wieder gehen. Wenn lauter verhungerte Indianer auf unserem Dorfplatz herumliegen - das sähe nicht gut aus. Ich will dort lieber Blumen pflanzen. Oder geben tote Indianer vielleicht guten Dünger ab? Weißt du das zufällig?"

"Zuerst werden sie eine ganze Weile furchtbar stinken."

"Die anderen Stämme wären uns bestimmt lange dankbar, wenn wir sie von dieser Plage befreien."

"Aber, das wäre gegen die Indianerehre!"

"In diesem Fall macht der Allsehende Adler bestimmt eine Ausnahme... sollen wir das grüne Fleisch mit Giftsumach einreiben?"

"Was...? Igitt! Zu spät, da sind sie!"


Es klopfte.

"Hallo."

"Ja, äh, hallo. Ich bin der Manu und wir haben seit zwei Tagen nichts gegessen und da wollte ich ganz unverbindlich fragen..."

 

 

Dichter Denker Intellektuelle

 

 
Heute: Eigenheiten höchst eigenartiger Stämme

Die Selchfleischapproximat'l konnten gar nichts. Jedenfalls war das die Meinung der anderen indigenen Völker. Sie selbst hielten sich für ein Volk der Künstler und Wissenschaftler, die geborene Oberklasse der Indianervölker, und deshalb sahen sie voller Verachtung auf die anderen herab und redeten geschwollen. Ja, geschwollen.

Die kriegführenden Nationen waren für sie ungebildete Wilde. Den Sinn ihrer Existenz sahen sie im Beobachten und Verstehen der Ursachen der Dinge. Die praktische Anwendung interessierte sie nicht.

Sie wussten - rein theoretisch - wie man mit hohem Ertrag Mais anbaut. Aber am Ende jedes Winters brach bei ihnen eine Hungersnot aus. Dann schnorrten sie die verachteten Nachbarstämme um Lebensmittel an. Die mussten ihnen aus Tradition und indianischer Solidarität helfen. Niemand mochte sie.

In Wirklichkeit hatten sie reichlich wenig vom Leben verstanden. Ihr Selbstbild und ihr Ansehen bei den anderen Indianern unterschieden sich kolossal. Ihre hohe Meinung von sich selbst wurde kaum durch praktische Erfahrung getrübt - sie versuchten nämlich gar nicht erst, mit hohem Ertrag Mais anzubauen. Sonst hätten sie längst gewusst, dass ihre theoretischen Kenntnisse für den Maisanbau nicht taugten. Das einzige, wofür die vermeintlichen Kenntnisse taugten war, hochnäsig auf die anderen Völker herabzusehen und sich selbst für etwas besseres zu halten. Bis zum nächsten Frühjahr.

Ihre Wissenschaft taugte nicht für den Alltag. Ihre Kunst beleidigte die Sinne und den Verstand. Viele andere Stämme schufen anspruchsvolle künstlerische Werke, ohne sie so zu nennen. Einige schnitzten Figuren, die Krankheiten vertrieben, einige zeichneten mit Sand Diagramme, mit denen sie in die Zukunft sehen konnten und einige hatten Tänze, mit denen sich der Verlauf des Wetters ändern ließ. Aber niemand wäre auf die Idee gekommen, das als Kunst zu bezeichnen. Auch nicht als Wissenschaft. Allenfalls noch Tradition hätten sie gelten lassen, aber was sie da taten, brauchte selten einen Namen.

Die Selchfleischapproximat'l hingegen erfanden Namen, ohne diese mit irgendwelchem ernstzunehmenden Inhalt füllen zu können. Nur wollten sie das nicht wahrhaben. Sie waren eben Unsympathen.

Viele Generationen später sollten Architekten, Werbefachleute und Hausgerätedesigner diese unterbrochene Tradition wieder aufnehmen. Aber davon handeln andere Geschichten.


Niedertracht der Naturvölker

Ganz anders die Poclatchcoat'l. Sie waren als Einzelpersonen beliebt, wegen ihres Charmes und ihres interessanten Aussehens. Als Stamm hingegen waren sie wegen ihrer Bosheit gefürchtet.

Beides war Ergebnis einer endlosen Reihe von Misserfolgen: Ihr begründeter Zynismus hatte sich im Lauf von Generationen in einen ziellosen Hass auf so ziemlich alles verwandelt. Sie bedrohten jeden, der eine Schwäche zeigte, öffentlich mit Häme, waren aber unsterblich beleidigt, wenn jemand das selbe mit ihnen tat.

Unter vier Augen verhielten sie sich oft ganz anders. Aber das musste der betreffende erst selbst erlebt haben ... was viel seltener vorkam als ihre öffentlich zur Schau getragene Niedertracht, wer wollte sich schon der Gefahr der Demütigung aussetzen? Aber die Sache hatte ein gutes: Sie wurden als allerletzte von den Selchfleischapproximat'ln angeschnorrt.
 

 

Auflaufaufstand

 

 
"Dampfender Pfannkuchen, wir wollen was anderes machen."

"Sag Häuptling zu mir!"

"Warum? Du bist Indianer, so wie ich."

"Nenn mich gefälligst Häuptling!"

"Ich denke nicht dran! Wir haben Dich aus unserer Mitte gewählt, das ist Deine Arbeit!"

"Trotzdem!"

"Nein! Egal. Wir wollen keine Kürbisaufläufe mehr."

"Nicht?"

"Nein."

"Warum denn nicht? Kürbisaufläufe sind wichtig!"

"Wir können sie nicht mehr sehen! Kürbisauflauf tagaus tagein, seit Du unser Häuptling bist. Und das ist schon ziemlich lange. Wir wollen was anderes machen."

"Aber die Nudeln kleben immer zusammen. Deswegen müssen wir den Kürbis essen. Deswegen müssen wir das Kürbisessen immer weiter verfeinern. Das ist unser Platz in der Welt."

Er meinte so etwas wie Ökologische Nische - dafür hatten sie nur noch kein Wort.

"Aber wir haben schon hunderte Kürbisrezepte!"

"Wir müssen ihn perfektionieren. Er muss perfekt sein. Die Nudeln kleben ja immer zusammen..."

"Aber die anderen Stämme haben so viele andere interessante Ideen, die machen Kunst, oder sie bauen riesige Gräber. Riesig viel größer als unsere. Und sie erfinden dazu tolle Feste!"

"Aber wir haben den Kürbis! Und müssen keine Nudeln essen."

"Aber die anderen dressieren Tiere. Oder entwickeln Kultur. Ganz im Süden kratzen sie riesige Bilder in den Boden und lenken den Blick der Götter auf sich!"

"Aber die müssen bestimmt die ganze Zeit zusammengeklebte Nudeln essen..."

"Weißt Du, ob sich die Götter überhaupt für Kürbis interessieren? Ich habe ein Lama gesehen, das Handstand konnte. Am Kalten Fluss lassen sie Forellen durch einen Ring springen. Die verdienen damit gut, sie bekommen dafür viel Getreide, und Pelze."

"Man soll seine Seele nicht verkaufen! Man muss für den materiellen Gewinn nicht alles tun! Aus dem Getreide werden ja doch wieder Nudeln! Und wenn die zu... zusammen... zusammen... kleben, dann ... ich ... Nudeln!"

"Hallo? Dampfender Pfannkuchen? So antworte doch! Geht es dir gut? Hallo...?

...


Sorry, Leute, ich hab's versucht: Sobald man mit ihm über das Essen spricht, denkt er an Nudeln. Und dann an zusammengeklebte Nudeln. Und dann wird er ohnmächtig und bekommt Schaum vor dem Mund. Ich hab's wirklich versucht... hat irgendjemand Lust, den Medizinmann zu holen?"

 

 

Blument'al Wundcatet'l und Kleine Windrispe

 

 

Als Blument'al Wundcatet'l den elterlichen Pueblo betrat, war sein Vater dummerweise noch auf. Er hatte wohl im Schein des Talglichts noch in den Tierknochen gelesen. Wie nicht anders zu erwarten atmete er tief ein. Das bedeutete: Predigt.

"Du hast Nerven! Weißt du wie spät es ist?"

"Ja, Papa."

"Der Mond hatte schon vor geraumer Zeit seinen Zenit!"

"Ja, Papa."

"Wenn DU morgen zur Arbeit müsstest, würdest du dich besser langsam an etwas Ordnung gewöhnen!"

"Aber Papa, ich habe mit Kleine Windrispe im Mondlicht oben auf der Klippe gesessen..."

"Mit wem?"

"Kleine Windrispe. Sie hat wunderbare Augen. Mandelaugen."

"Ach so. Na dann."


Dann schwiegen sie eine Runde.

"Kleine Windrispe, ja?"

Pause.

"Mandelaugen, ja? Na dann hast Du wenigstens Deine Zeit nicht verplempert."

Pause.

"Was macht denn ihr Vater so?"

"Er ist Indianer, wie Du."

"Was? Den ganzen Tag?"


Blument'als Vater liebte diesen Scherz.

"Nein, er legt Pausen ein, eine kurz nach dem Aufstehen und eine beim Zenit der Sonne. Und eine, wenn der Adler vorbeifliegt."

"Aber der Adler fliegt doch andauernd vorbei?"

"Naja."


An dieser Stelle wurde der Dialog vorübergehend ein wenig surreal, aber das kam bei Indianern häufiger vor. Es lag wohl an ihrer spirituellen Mentalität. Wir lassen diesen Teil weg.

"Und wo wohnen die Windrispes?"

"Ihre Eltern heißen Windrispe-Sumpfcantat'l."

"Von wem erbt man denn so einen bescheuerten Namen?"


Die Herkunft und Abstammung war wichtig unter Indianern, auch wenn man im Einklang mit der Natur lebte. Oder gerade weil. Einige stammten vom Allsehenden Großen Adler ab. Behaupteten sie.

"Sie sind verheiratet."

"Ach so."


Pause.

"Miteinander?"

Pause.

"Wooooohahahahaaa...!"

Das war der Humor von Blument'als Vater.

"Aber Papa!"

Er musste trotzdem grinsen.

"Sie wohnen im kleinen Pueblo, dem übernächsten, ganz am Ende der Schlucht."

"Was? Und da lässt du sie alleine hinlaufen? Bei Nacht? Also deshalb kommst du so früh nach Hause! Hast du das von mir?! Das hast du doch nicht von mir!? Das Mädchen allein durch die Nacht stolpern lassen... wirklich!"

"Aber ich wusste doch gar nicht, ob sie das will, dass ich sie begleite, und so..."

"Hör mal! Sie sitzt mit dir bei Vollmond oben auf der Klippe! Da wird sie es bestimmt nicht schlecht finden, wenn du sie nach Hause bringst! "

"Naja..."

"Zu meiner Zeit war das jedenfalls so. Ob sie auch „und so" will, musst Du allein herausfinden."


Pause.

"Bist Du überhaupt schon ordentlich aufgeklärt?"

"Ach, Papa..."

"Naja, ich meine, wie man keine Kinder macht? Weißt du das?"


Die meisten Indianerstämme hatten wirksame Methoden, wie man keine Kinder macht. Das war auch kein Geheimnis - ganz im Gegenteil.

"Ach Papa... können wir das nicht morgen besprechen, bei Tag?"

"Morgen muss ich zur Arbeit. "

"Was?"

"Da gehe ich jagen."

"Dann am Nachmittag, nach der Jagd..."

"Da muss ich die Tiere ausnehmen und abziehen."

"Dann nach Sonnenuntergang...?"

"Da muss ich sie kochen."

"Nie hast du Zeit! Nie! ... dann übermorgen?"

"Da habe ich eine Fortbildung."

"Den ganzen Tag!?!"

"Das ist in den Zelten vom kleinen Indianerrat, oben auf dem Plateau. Den ganzen Tag, ja. Da muss ich verdammt früh aufstehen."

"Na prima!"

"Weißt du, wie lange ich dafür brauche, ganz da rauf und wieder runter?"


Er wollte wohl bedauert werden.

"In meinem Alter?"

Ganz sicher wollte er das. Oder bewundert.

"Ach Papa. Aber in zwei Handvoll Tagen ist Mama wieder da, dann frage ich die."

"Mach doch!"

"Ja!"


Pause.

"Gehst du auch schlafen, Papa?"

"Ich lese noch ein wenig in den Tierknochen. Gute Nacht!"

"Gute Nacht!"

 

 

Eine hilfreiche Erfindung

 

 
"Sieh mal, was ich hier für dich habe. Das ist praktisch!"

"Ich will einen Topf haben! Du bist Töpfer und sollst mir nicht dauernd unbrauchbare Sachen aufschwatzen."

"Aber sieh doch: Einen Topf, und wenn man den Deckel dreht, sitzt er fest drauf."

"Wozu sollte ich sowas brauchen?"

"Na, darin kannst du Essen transportieren, mit auf die Jagd nehmen und so, wenn dir deine Frau was gekocht hat."

"Bei uns koche ich. Sie macht die schwierigen Sachen. Sagt sie."

"Wie auch immer. Jedenfalls kannst du Suppe mitnehmen, und es läuft nichts mehr raus!"

"Bisher habe ich den Deckel einfach mit Lederriemen auf den Topf drauf gebunden, das geht auch."

"Ja, schon, aber nur wenn der Topf aufrecht steht. Meinen kannst du auf den Kopf stellen. Sag doch: Ist das nicht praktisch?"

"Naja. Wenn ich den Topf NICHT auf den Kopf stelle, läuft meistens auch nichts raus. Wenn du mir einen guten Topf gegeben hast."

"Aber jetzt musst du nicht mehr aufpassen."

"War bisher auch nicht so schwierig, so lange das Lama keinen Handstand macht. Zum Mitnehmen ist der aber ziemlich schwer. Alle Sachen, die ich sonst mitnehme sind leicht."

"Aber ist doch egal, dein Lama muss die Sachen doch tragen."

"Ist es nicht! Ich kriege den Topf ja kaum hoch."

"Jaja, schon gut, ich arbeite dran. Aber so lange kannst du den hier nehmen."

"Na gut, gib her, schlechter als vorher kann's ja nicht sein."

...

"Oh, was ist denn mit dir passiert? Wo hast du denn das blaue Auge her?"

"Meine Frau..."

"Ja, deine Frau hat einen kräftigen Schlag was? Ich dachte schon, du bist beim Powwow in eine Schlägerei geraten."

"Schön wärs - meine Frau ist da nicht so zimperlich wie die Männer beim Powwow. Aber DU bist schuld! Das wirst du mir büßen!"

"ICH? Was habe ICH denn getan?"

"Dein blöder Topf!"

"Hat deine Frau dir den Topf an den Kopf gehauen? Darauf erstreckt sich meine Garantie leider nicht."

"Unsinn! Bei Prügeleien nimmt sie die bloßen Hände - das ist effektiver, sagt sie. Sieht man ja auch."

"Und ... warum?"

"Ich habe den Topf mit dem Deckel auf das Feuer gestellt. Wir haben doch seit einiger Zeit diesen Herd in unserem Haus."

"Ja, ihr seid ja so modern eingerichtet!"

"Ach, halt die Klappe. Jedenfalls habe ich Beeren gekocht und den Topf mit dem Deckel auf den Herd gestellt. Nach einer Weile gab es einen lauten Knall, wie beim Gewitter."

"Du hast den Deckel drauf gelassen?"

"Na und? Mache ich doch sonst auch."

"Aber dieser hier verschließt den Topf wirklich."

"Jedenfalls ist er explodiert. Die Beeren kleben jetzt überall, an den Wänden, an der Decke, und meine Frau hat sich so erschreckt, dass sie mir eine reingehauen hat. Es tut ihr fast leid, sagt sie jetzt."

"Du hättest beim Kochen den Deckel nicht drauf lassen dürfen..."

"Ach, halt die Klappe! Wenn ich beim Kochen den Deckel drauf lasse, brauche ich viel weniger Holz! Das spart ungemein."

"Naja."

"Ich hatte grade die ganzen Wände mit Häuten neu gemacht! Jetzt muss ich die ganzen Felle und Tierhäute schon wieder runternehmen und waschen. Schöner Mist. DABEI WIRST DU MIR HELFEN!"

"Wer? Ich? Wieso denn?"

"Wer hat mir denn diese Höllenmaschine aufgeschwatzt? Du doch!"

"Hättest sie ja nicht nehmen müssen..."

"
'Die ist doch sooo praktisch!' Das waren deine Worte. Morgen früh kommst du zu meinem Haus und hilfst mir! Und wenn du nicht da bist, hetze ich dir meine Frau auf den Hals!"

"Ja ja, schon gut, ich komme."

 

 

Eine neue Epoche

 


Vorschau zur 2. Staffel - was bisher geschah

Lange vor der Einwanderung der Europäer nach Amerika gab es dort eine blühende Kultur der verschiedensten Völker von Ureinwohnern. Ihre Stämme waren zahlreich und hatten nicht viel gemeinsam, außer dass in ihrer Gegend Kürbisse wuchsen. Selbstverständlich waren sie alle edel und stark, schön und gut, aber dafür auch beinahe alle ein wenig streitlustig.

Künstlerisch, sozial und philosophisch waren sie weit entwickelt - technologisch befanden sie sich im Stadium der Steinzeit. Bei vielen Problemen, die in heutiger Zeit mit technischen Mitteln behoben werden, waren sie es gewohnt, sie soziologisch zu lösen, sie religiös umzudeuten oder auf tiefenphilosophischem Weg das Leben mit wirklich ekligen Hindernissen zum Standard zu erklären. Daneben machten sie einige erstaunliche Erfindungen - auf Steinzeitniveau.


 

 

Ein Häuptling

 

 

Häuptling Dampfender Pfannkuchen war der Quizkönig und Gewinner der in 3-jährigem Rhythmus stattfindenden Herzausreißerspiele. Die Spiele hießen nur aus Tradition so, keiner konnte mehr sagen, warum.

Dampfender Pfannkuchen war ein Popstar seiner Zeit, litt aber unter einer schweren Pasta-Adhesio-Phobie: Er hatte ständig Angst, dass die Nudeln beim Kochen zusammenkleben. Deshalb forcierte er die Erstellung von Kürbisaufläufen. Sein Leben war nicht leicht.
 

 

Das Rad

 

 
Die Poclatchcoat'l waren wahrscheinlich hauptsächlich deshalb so niederträchtig, weil ihr Leben und ihre ganze Stammesgeschichte eine endlose Folge von Niederlagen war. Dies war unausweichlich und seit Generationen so. Einer guten Idee folgte jedes mal ein böser Reinfall. Die anderen Stämme hatten in ihrem Sprachgebrauch viele Sprichwörter über das sprichwörtliche Pech der Poclatchcoat'l.

Unter anderem hatte ein Poclatchcoat'l das Rad erfunden, Jahrhunderte vor den anderen. Aber er kam nicht weit. Buchstäblich.

"Bist Du bekloppt? Was soll DAS denn sein?"

"Na, ich habe einen Stein den Berg runterrollen sehen."

In ihrer Gegend war es nichts besonderes, wenn ein Stein den Berg runter rollte, man musste ihm nur aus dem Weg gehen und darauf achten, dass man nicht getroffen wurde.

"Und dann fand ich zufällig einen Stein mit einem Loch drin."

Solche Steine lagen unten am Fluss zu Hunderten herum, eine Laune der Natur.

"Und da habe ich einen geraden Stock hineingesteckt - das war lustig!"


"Ich hätte eher erwartet, dass du was anderes reinsteckst."


Aber der Erfinder ließ sich nicht beirren:

"Und zufällig fand ich einen zweiten Stein mit einem Loch. Dann habe ich einen Ast auf den Stock gelegt und das da kam dabei heraus. DAS IST PRAKTISCH!"


"Aha."


"Ja! Ist es!"


"Aha. Ich glaube eher, das ist praktisch unbrauchbar, wie deine ganzen anderen Sachen..."


"Nein! Wir müssen all die schweren Sachen nicht mehr tragen - das Ding macht das für uns!"


"Aha. Welche schweren Sachen denn? ICH trage nie Sachen, die ich nicht tragen kann."


"Na, was eben immer zu schwer ist. Tote Tiere. Bausteine für den Pueblo. Bäume. Das spart enorm Zeit!"


"Warum zur Hölle willst du ZEIT sparen? Wir haben doch genug davon. Die vergeht sowieso schon langsam genug."


"Aber unser Leben würde leichter!"


"Jaja, ganz sicher. Leichter."


"Ja! Wohl!"


"Aha. Und wo willst du das Ding ... benutzen?"


Sie hatten noch kein Wort für Fahren - es gab ja noch nichts, das fuhr.

"Naja, äh..."


"Genau, du hast mal wieder gerade so von deinem Haus bis zur Stalltür gedacht!"


"Naja..."


"Mit diesem Ding kommst du genau NIRGENDWO durch!"


Da hatte er recht. Ihre Wege waren gerade so breit, dass zwei Füße nebeneinander passten.

"Und über Bruder Baum hebst du die SCHWEREN SACHEN jedesmal drüber, ja?"

Alle paar hundert Schritte lag ein umgestürzter Baum auf dem Weg - so lange ihn noch niemand verheizt hatte.

"Naja, aber dazwischen..."


"Na, dich möchte ich sehen, wenn du das Ding mit den SCHWEREN SACHEN drauf den Berg hochzerrst."


Er betonte die 'schweren Sachen' immer besonders affektiert.

"Da möchte ich mal sehen, wie viel leichter dein Leben wird."


In der Tat war ihre Gegend in weitem Umkreis sehr bergig. Da hatte VRTLVRSBN¹ durchaus recht. Und damit war wieder eine gute Idee für die nächsten Jahrhunderte gestorben.


¹ V'rtlvrs'bn Poclatch trägt noch einen der alten Namen, aus der Zeit vor der Erfindung der Vokale. Die Vokale allerdings hatte ein anderer Stamm erfunden - sonst hätte sich ihr Gebrauch wahrscheinlich nie durchgesetzt.
 

 

Das Bier der Fynfzencilohant'l (3)

 

 
Der Erfindung des Biers war einer der Standarddialoge des Stammes vorausgegangen, sogar eigentlich DER Standarddialog der Fynfzencilohant'l - sozusagen ein Vorläufer ihrer Nationalhymne. Hier ein Auszug:

"Häuptling! ... Häuptling?"

"Ja. Lass mich in Ruhe."

"Häuptling... "

"Was ist?"

"...jemand muss den Abfluss vom Fußbadebecken reparieren."

"Du kannst reinkommen, aber halt den Mund."

"Das Wasser steht einem da drin schon bis zum Schniedel."

"Ja. Bis zu deinem Schniedel. Was hast du auch so einen langen und so kurze Beine. Hau ab!"

"Aber davon ist in unserer Zeremonie keine Rede. Und die ist hunderte Sonnenumläufe alt!"

"Du sollst mich in Ruhe lassen!"

"Es heißt

Kniehoch sei das Wasser
und nicht höher als zum Knie!

"Ja, und?"

"Aber vom Knie ist es noch ein ganzes Stück bis zum Schniedel, selbst bei mir."

"Mir doch egal."

"Davon wird der Abfluss aber nicht besser."

"Dann reparier ihn selbst."

"Ich bin Indianer und kein Klempner."

"Frag einen Klempner."

"Wir haben keine Klempner."

"Dann frag jemand anderen."

"Wen denn?"

"... was weiß ich?"

"Du bist der Chef."

"Mag sein. Aber vor allem bin ich Fynfzencilohant'l, wie du auch. Du weißt genau, dass ich es hasse, wenn mir einer die Hucke vollquatscht. Wir alle hassen das. Du auch."

"Ich nicht."

"Lüg mich nicht an! Ein Indianer lügt nicht!"

"Gut. Also, ich hasse es weniger."

"Ich frage mich wirklich, woher du das hast. Besser noch: Ich frage deine Mutter."

"Die fragt sich das auch."

"Wenn Du keine Ruhe geben willst, verschwinde!"

"Ist das dein letztes Wort?"

"Ja!"

"Wirklich?"

"Wenn du jemanden zum Zuhören suchst, erzähl's deinem Frisör."

"Ich habe keinen."

"So? Warum nicht? ... ach, nein! Vergiss es!"

"Ich trage Windfransen, das ist jetzt modern, da muss man nicht so oft zum Frisör."

"Dann erzähls deinem Lama."

"Nein!"

"Nein? Aber dein Lama muss dir zuhören!"

"Es spuckt immer nach mir, wenn ich mit ihm rede."

"Wundert mich nicht. ... ... ... ... dann erzähl's deiner Frau."

"Die auch."

"Da hat sie eigentlich recht."

"Aber Chef - denk an das Fußbadebecken..."

"Ach was. Da scheißt der Adler drauf. Scher dich da hin, wo der Erdapfel wächst!"

"Na gut, Chef. Du hast es so gewollt!"

"Ja, habe ich. ' sehen uns dann beim Fußbad."


 

 

Das Bier der Fynfzencilohant'l (2)

 

 
Ungünstigerweise weichten die Füße der angestellten Fußbade-Indianer so stark auf, dass man ihnen Pausen vom Fußbaden gönnen musste. Deshalb gab es immer nur für einige Tage nach Neumond das gute Premium-Kürbisbier. Es war teurer.

Zu bedenken war allerdings, dass Fußbäder bei den Fynfzencilohant'l eine spirituelle, religiöse Einrichtung waren. Niemand konnte einschätzen, was die täglichen Dauergebete der neuen Angestellten bei den Ahnen bewirkten. Ob man mit dem ewigen Gebete nicht vielleicht doch den Göttern gehörig auf den Zünder ging und sie einem dafür irgendwann zürnten.

Ein speziell ausgebildeter 'Schamane für moderne Gebetstechniken' entwickelte daher ein Anti-Gebets-Gebet: Ein Entschuldigungsritual, mit dem man versuchte, den Ahnen Abbitte dafür zu leisten, dass man ihnen jetzt dauernd in den Ohren lag. Und das nur wegen einem Becken voller Bier. Aber das mit dem Bier erwähnte der Schamane in dem neuen Gebet lieber nicht.

Irgendwann, in einer Trance, erwischten sie ihn doch, und einer seiner Ahnen fragte ihn ganz unerwartet von hinten:

„Sag mal, Du willst uns doch bescheißen, oder?"

Es war die Stimme seines Onkels - dem Schamanen wurde schwindlig. Anders schwindlig als sonst allerdings. Ertappt! Mist! Der hatte ihm schon zu Lebzeiten mit seiner nervtötenden Allwissenheit mächtig zugesetzt. Einige behaupteten, der Onkel könne Gedanken lesen, sowohl die seiner Stammesmitglieder wie auch die der toten Ahnen. Der Neffe hatte das nie geglaubt - aber anscheinend war tatsächlich was dran gewesen. Eigentlich schade, dass er jetzt tot war.


 

 

Das Bier der Fynfzencilohant'l (2)

 

 
Die benachbarten Stämme wurden ebenfalls mit dem Gebräu bekannt gemacht. Sie waren genauso schnell begeistert wie abhängig, fanden aber das Geheimnis seiner Herstellung wegen des mürrischen Wesens der Fynfzencilohant'l nie heraus. Alles, was nicht auf dem Feld vor dem Pueblo wuchs, konnten die Fynfzencilohant'l jetzt für das Geld vom Bier kaufen. Ein seltsamer Wohlstand machte sich breit.

Wegen der großen Nachfrage bauten sie extra ein neues, viel größeres Becken, um dort nur Kürbisbier zu brauen, ohne die lästigen Fußbäder. Aber das funktionierte nicht: Das Bier schmeckte nicht und die Gärung kam meist gar nicht erst in Gang. Lustlos kehrten sie zur Herstellung in ihrem seichten Fußbadebecken zurück.

Einige Sonnenwechsel später engagierten sie arbeitslose Indianer fremder Stämme, die jeden Tag lange Fußbäder im Becken nehmen mussten. In Grundzügen funktionierte das. Das Bier dabei entstehende Bier schmeckte erträglich - aber kein Vergleich zu dem Bier, das bei ihren eigenen Fußbädern herauskam! Anscheinend hatten nur die Fynfzencilohant'l geschmacksverbessernde Füße. Das Bier wurde noch besser, wenn sie vor dem Fußbad eine Woche lang ihre Lederstrümpfe angelassen hatten.

 

07 September 2007

Das Bier der Fynfzencilohant'l

 

Die Fynfzencilohant'l mussten nicht viel tun für ihren Lebensunterhalt. Melonen, Getreide, Kürbisse und Früchte wuchsen von selbst auf ihrem Feld. Warum, das war ihnen egal. Das Bierbrauen hatten sie durch Zufall entdeckt: In dem Becken, in dem sie immer bei Neumond eine Nacht lang ihr gemeinsames rituelles Fußbad nehmen mussten, war zufällig Wasser stehen geblieben. Die Kinder spielten dort mit Kürbisschiffchen. Dass das Wasser nach ein paar Tagen Schaum trug, war allen entgangen. Sie wollten ja im allgemeinen ihre Ruhe haben.

Eines Tages war ein Kind steuerlos durchs Dorf getorkelt, aber unter Indianern galt so etwas als mystisches Zeichen. Das Kind hatte interessant mit den Augen gerollt, lustiges Zeug geredet und war am Ende laut schnarchend eingeschlafen.
Als es am übernächsten Tag wieder klar antworten konnte, fand die Mutter heraus, dass es beim Spielen mit Kürbissschiffchen von dem Wasser im Fußbadebecken getrunken hatte. Dabei hatte sich das Kind offensichtlich einen fürchterlichen Rausch zugezogen.
Die Fynfzencilohant'l probierten die Wirkung erst an zwei weiteren Kindern aus, bevor der erste Erwachsene bereit war, von dem Wasser zu kosten. Kinder hatten sie genug.

Das Wasser perlte witzig auf der Zunge und schmeckte nach Kürbiskuchen. Gar nicht schlecht. Die Kürbisschiffchen der Kinder hatten nämlich während der weiteren Versuche im Becken gelegen und waren inzwischen vollständig vergoren.

Von dem perlenden Wasser wurde einem angenehm schwindlig, die eigentlich mürrischen Fynfzencilohant'l wurden gesprächig und sogar gesellig nach dem Genuss des Getränks. Ein echter Fortschritt für ihre Kultur.

Also beobachteten sie die Vorgänge und ließen nun nach jedem Fußbad das Wasser im Becken mit einem Haufen Kürbissen stehen.
 

 

Ungerechtigkeit und Bier

 

Das Bier war eigentlich schon erfunden. Aber das Geheimnis des Bierbrauens lag beim Stamm der mürrischen Fynfzencilohant'l. Diese gaben K'urt kein Bier - K'urt wollte immer reden. Und sie wollten doch einfach nur ihre Ruhe haben. So wuchs K'urts Unzufriedenheit.

Den Handclatchtomat'l gaben sie Bier - weil die es sich selbst abholten. Und dann das Geld vor den Pueblo legten.

Die Fynfzencilohant'l waren ein bärbeißiges Volk, aber mit den Handclatchtomatl kamen sie aus. Wenn sie betrunken waren, nannten sie sie sogar freundschaftlich Clatchis. So wuchs K'urts Neid.
 

 

K'urt

 

Die Lotmachpeyot'l waren das krasse Gegenteil. Von allem. Sie ahnten immerhin, warum sie die Peyotl waren. Und „Lotmach-" war kein biblischer Vorname, sondern blanke Ironie: Wie sollte man denn ordentlich aufrecht gehen, wenn man dauernd breit und voll des guten Peyote war? Immerhin kannten sie das Farbfernsehen, 600 Jahre vor seiner Erfindung. Ihr Häuptling hieß K'urt.

Peyote-Kakteen wuchsen bei ihnen überall, wie Unkraut, man hätte sie nur pflücken müssen. Aber selbst das war nicht nötig, weil sich auch die anderen Pflanzen nicht ohne einen satten Anteil Peyote ernten ließen. Die Lotmachpeyot'l dachten nicht darüber nach und betrachteten es auch nicht als Droge. Sie kannten den Zustand „nüchtern" einfach nicht. Bis auf K'urt.

Der Häuptling K'urt war nicht gewählt worden, wie das in den ausgereiften indigenen Indianerdemokratien eigentlich üblich hätte sein sollte. Er hatte sich das Amt genommen. Konnte man so sagen. Er hatte eine Kaktus-Allergie, weil er als kleiner Junge in einen Kessel mit ... aber nein, das ist eine ganz andere Chronik.

K'urt war der einzige im Stamm, der überhaupt gezielt etwas greifen konnte, weil er wegen seiner Allergie als einziger immer nüchtern war. Unfreiwillig abstinent.

K'urt suchte sich sein Essen selbst und aß immer allein, schon weil er keine Lust hatte, den ganzen Tag mit einem Haufen bekifften Idioten herumzuhängen. Denen wiederum schmeckte sein widerliches Essen nicht - sie waren Vegetarier. Alle. Bis auf K'urt, der sich wegen seiner Allergie zu großen Teilen von Schlange, Kröte und Echse ernährte, was ihm in ihrem Canyon eben so über den Weg lief. Beim Gedanken an solche Kreaturen auf dem Teller bekamen seine Stammesbrüder schlimme Halluzinationen, egal ob mit oder ohne Peyote. Und K'urt war wirklich kein guter Koch, nur - was sollte er machen?

Sein Dasein war entsetzlich traurig: Er musste die ganze Zeit als einziger Nüchterner unter lauter faulen Drogensüchtigen leben. Er wünschte sich auch eine Droge. Eine, die er ohne Juckreiz vertrug.

 

Die Notlachaxolot'l

 


Die Notlachaxolot'l waren in Krisenzeiten traditionell die treuen Verbündeten der Handclatchtomat'l. Auf der Seite der Poclatchcoat'l standen die Lotmachpeyot'l. Ihre Treue ließ traditionell zu wünschen übrig.

Philosophen beider Stämme fragten sich seit geraumer Zeit, wer wohl diese beknackten Stammesnamen erfunden haben mochte. Ohne Ergebnis. Und das war auch schon ihre einzige Gemeinsamkeit.

Mit den zutreffenden Erkenntnissen hätten sich die Namensphilosophen bei ihren Stämmen sehr unbeliebt gemacht. Weil sie das wussten - und ihren Job behalten wollten - stellten sie sich ahnungslos und ergingen sich in nebulösen Andeutungen im unverständlichen Jargon der Indianer-Philosophen.

Die Notlachaxolot'l waren für ihre grauenhafte Ernsthaftigkeit berüchtigt, was ihnen letztlich auch diesen Namen eingebracht hatte: Nämlich, dass sie auch im äußersten Notfall eines wirklich gut erzählten Witzes bestenfalls verklemmt kicherten. Was der Axolotl-Teil sollte, wusste keiner. In ihrer Gegend gab es nicht mal Höhlen.

Besuche bei ihnen waren die Hölle. Jede normale Kommunikation mit freundlichen Nichtigkeiten lief bei ihnen ins Leere: Sie verstanden so etwas nicht. Jeder Besucher versuchte deshalb eine Zeitlang reflexhaft, immer lustiger zu werden. Irgendwann gaben die Besucher frustriert auf, sie konnten sich nicht vorstellen, das jemand ein Lächeln, übertriebene Gesten und selbst einfache Späße nicht verstand. Die Notlachaxolot'l wiederum kannten ausschließlich dieses merkwürdig überdrehte Verhalten ihrer Besucher und es fiel ihnen nicht auf, dass kein Besucher zweimal kam, außer ein paar besonders aufdringlichen Vetretern von Zierkürbis-Abonnements und den anhänglichen Missionaren aus einer weit entfernten Region am Rand des Salzsees.

 

06 September 2007

Seefahrt und Bequemlichkeit

 

Chronik des Riesenkürbis-Seekriegs der Poclatchcoat'l-Indianer
gegen die Handclatchtomat'l im Jahre 108 vor ihrer Zeitrechnung
(d.h. 1413-1418 n. Chr.)


Zu damaliger Zeit schnitzten die Handclatchtomat'l und die Poclatchcoat'l-Indianer ihre Boote nicht aus Holz, wie die anderen Völker des ihnen bekannten Erdenballs, das war ihnen nämlich zu mühsam. Sondern aus Kürbissen.

Vom allgemeinen amerikanischen Ureinwohnerrat (eine Art EU der Indianer¹) wurde ihnen deshalb die Benutzung des geschützten Begriffs EINBAUM verbooten. Trotzig nannten sie ihre Seegefährte deshalb EINKÜRBIS, und das schon seit mehr als umgerechnet vierhundertfünfzig Jahren².

In den Jahrhunderten hatten Indianerboote eine enorme technische Entwicklung durchgemacht, aber, wie nicht anders zu erwarten, sah technische Entwicklung bei indianischen Ureinwohnern ganz anders aus als in Europa. Die erhöhten Frachtraten auf ihren Seen riefen nach immer größeren Kürbissen ... nein: Booten ... also doch Kürbissen - jedenfalls war das die Antwort der indianischen Bootszüchter auf die erhöhten Frachtraten: Sie begannen, immer größere und leistungsfähigere Schwimm-Kürbisse zu züchten.

Bald stieß man an eine natürliche Grenze, die darin bestand, dass man die tonnenschweren Kürbisse nicht mehr vom Feld bis zum Flussufer transportieren konnte. Einige Jahre noch behalf man sich damit, die Kürbisse direkt auf einem Wagen wachsen zu lassen. Man musste sie dann nur noch abschneiden und zum Ufer fahren. Den Wagen konnte man im nächsten Jahr sogar wiederverwenden. Aber mehrere hässliche Unfälle mit zusammengebrochenen Wagen und herabgefallenen Kürbissen zeigten, dass dies eine Sackgasse war. Ein heiliger Monumentalbaum am Ufer eines großen Sees zeugt noch heute davon. Er wurde zur Erinnerung gepflanzt, aber erst in der Neuzeit mit einer Inschrift versehen:

"Hier wurde unser großer Vortänzer
Ancal Handclatch'tepec
von einem schrecklich herabfallenden Kürbis
traurig erschlagen."

Grammatik war nie ihre Stärke.


¹ nur einige wenige dieser Völker hatten eine Schrift - daher blieb ihnen auch eine ganze Reihe unsinniger Abkürzungen gänzlich erspart
² und die wenigsten berechneten ihre Zeit in herkömmlichen Jahren, doch dazu später mehr

 

25 August 2006

Präambel

 

Anlass der Veröffentlichung dieser Chronik ist eine Endeckung, die den Historytainment-Archäologen¹ jüngst gelungen ist. Die Archäotainer fanden nämlich heraus, dass man Kürbisse nicht nur essen kann. Dazu sind sie eigentlich sogar viel zu schade.



Und im Zuge dieser Entdeckung, unter Berücksichtung der Emotionen, die bei der Benutzung des Kürbisbootes in ihnen aufwallten, wurde ihnen klar, dass es unter Indianern selbstverständlich Kürbiskriege gegeben haben musste. Jedenfalls, so lange noch keine Europäer auf dem Kontinent angekommen waren.


¹ das sind diese Leute, die das erbärmliche Leben der Steinzeit am eigenen Leib ausprobieren müssen, um daraus Vorhersagen für die gesamte zukünftige Entwicklung der Menschheit abzuleiten.
 

 

24 August 2006

Setting und Athmo & so...

 

Chronik des Riesenkürbis-Seekriegs der Poclatchcoat'l-Indianer
gegen die Handclatchtomat'l im Jahre 108 vor ihrer Zeitrechnung
(d.h. 1413-1418 n. Chr.)


Zu damaliger Zeit schnitzten die Handclatchtomat'l und die Poclatchcoat'l-Indianer ihre Boote nicht aus Holz, wie die anderen Völker des ihnen bekannten Erdenballs, das war ihnen nämlich zu mühsam. Sondern aus Kürbissen.

Vom allgemeinen amerikanischen Ureinwohnerrat (eine Art EU der Indianer¹) wurde ihnen deshalb die Benutzung des geschützten Begriffs EINBAUM verbooten. Trotzig nannten sie ihre Seegefährte deshalb EINKÜRBIS, und das schon seit mehr als umgerechnet vierhundertfünfzig Jahren².

In den Jahrhunderten hatten Indianerboote eine enorme technische Entwicklung durchgemacht, aber, wie nicht anders zu erwarten, sah technische Entwicklung bei indianischen Ureinwohnern ganz anders aus als in Europa. Die erhöhten Frachtraten auf ihren Seen riefen nach immer größeren Kürbissen ... nein: Booten ... also doch Kürbissen - jedenfalls war das die Antwort der indianischen Bootszüchter auf die erhöhten Frachtraten: Sie begannen, immer größere und leistungsfähigere Schwimm-Kürbisse zu züchten.

Bald stieß man an eine natürliche Grenze, die darin bestand, dass man die tonnenschweren Kürbisse nicht mehr vom Feld bis zum Flussufer transportieren konnte. Einige Jahre noch behalf man sich damit, die Kürbisse direkt auf einem Wagen wachsen zu lassen. Man musste sie dann nur noch abschneiden und zum Ufer fahren. Den Wagen konnte man im nächsten Jahr sogar wiederverwenden. Aber mehrere hässliche Unfälle mit zusammengebrochenen Wagen und herabgefallenen Kürbissen zeigten, dass dies eine Sackgasse war. Ein heiliger Monumentalbaum am Ufer eines großen Sees zeugt noch heute davon. Er wurde zur Erinnerung gepflanzt, aber erst in der Neuzeit mit einer Inschrift versehen:

"Hier wurde unser großer Vortänzer
Ancal Handclatch'tepec
von einem schrecklich herabfallenden Kürbis
traurig erschlagen."

Grammatik war nie ihre Stärke.


¹ nur einige wenige dieser Völker hatten eine Schrift - daher blieb ihnen auch eine ganze Reihe unsinniger Abkürzungen gänzlich erspart
² und die wenigsten berechneten ihre Zeit in herkömmlichen Jahren, doch dazu später mehr

 

23 August 2006

Verlagsmitteilung

 

Ab jetzt in diesem Theater!



Geschichten von den ernstlichen Auseinandersetzungen
der indigenen Ureinwohner kürbistragender Gebiete!


In den Hauptrollen:

Die Indianervölker der ruchlosen
Poclatchcoatl
und der erfinderischen
Handclatchtomatl!


Sowie als unverzichtbare Kriegsschiedsrichter:

Die heldenhaften
Plumpaquatch-Chocolatl...

...welche von den teilnehmenden Kriegsparteien unter der Hand immer nur "Plumpis" genannt wurden ... was diese aber nie hören durften, weil sie sonst sehr beleidigt gewesen wären. Sehr, sehr beleidigt.